Von Michael Keßler am 25. März 2025

OLG Schleswig: Voraussetzungen der Haftung als faktischer Geschäftsführer

Hintergrund

Geschäftsführer einer GmbH unterliegen einer Reihe von Haftungstatbeständen. Besonders relevant ist hier der § 15 a der Insolvenzordnung (InsO). Hiernach hat der Geschäftsführer unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen, sobald ein Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) vorliegt. Tut er dies nicht, erfüllt er den Tatbestand der Insolvenzverschleppung. Gleichzeitig macht er sich schadensersatzpflichtig. Insbesondere haftet er für Zahlungen, die vor dem Insolvenzantrag von der Gesellschaft getätigt wurden, obwohl der Insolvenzgrund bereits vorlag.

Diese Haftung trifft aber nicht nur die offiziell bestellten Geschäftsführer, sondern sie kann auch den informellen, sog. „faktischen“ Geschäftsführer treffen. Das OLG Schleswig (Urteil vom 27.11.2024 – 9 U 22/24) hatte nun darüber zu entscheiden, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Person als faktischer Geschäftsführer angesehen werden kann. Das Urteil stellt für potenziell betroffene Personen einen Leitfaden dar. Anhand dessen kann geprüft werden, ob das Risiko besteht, als faktischer Geschäftsführer zu haften. Eine abschließende Bewertung sollte jedoch stets durch einen Rechtsanwalt erfolgen.  

Wann liegt eine faktische Geschäftsführung vor?

Nach Ansicht des OLG ist ein faktischer Geschäftsführer insbesondere, wer sowohl betriebsintern als auch

  1. durch ein Auftreten im Außenverhältnis anstelle der formellen Geschäftsführer
  2. mit Einverständnis der Gesellschafter tatsächlich das Sagen hat und
  3. eine gegenüber den formellen Geschäftsführern überragende Stellung einnimmt.

Hier komme es auf das Gesamterscheinungsbild des Auftretens an. Die Person müsse sichtbar im Außenverhältnis die Geschicke die Gesellschaft maßgeblich in der Hand genommen haben. Eine bloße interne Einwirkung auf die formellen Geschäftsführer reicht nicht aus.

Welche Indizien sprechen für eine faktische Geschäftsführung?

Nach Ansicht des OLG sprechen u.a. folgende Indizien für das Vorliegen der o.g. Voraussetzungen:

  1. die Gründung der Gesellschaft und die Eröffnung des Geschäftsbetriebs durch die betreffende Person,
  2. die Erteilung einer umfassenden Vollmacht, für die Gesellschaft zu handeln und Kontoverfügungen für Geschäftskonten der Gesellschaft zu tätigen,
  3. das Führen von Kreditverhandlungen und der eigenverantwortliche Abschluss von Zahlungsvereinbarungen mit Geschäftspartnern,
  4. der Abschluss wichtiger Verträge für die Gesellschaft und das Treffen der maßgeblichen Entscheidungen für die Gesellschaft im operativen Geschäft,
  5. der nach außen kundgemachte Einsatz von anderen als „Strohgeschäftsführer“ oder das Gerieren als „Chef“ gegenüber anderen,
  6. die Einstellung von Personal für die Gesellschaft und die Entscheidung über die Gehaltshöhe von Mitarbeitern sowie über deren Arbeitseinsatz sowie
  7. die eigenverantwortliche Erteilung von Beratungsmandaten für die Gesellschaft.

Entscheidend komme es hierbei auf die durch das Auftreten gegenüber Dritten geschaffenen Fakten an.

Wie entschied das OLG?

Im vorliegenden Fall sah das OLG diese Voraussetzungen als nicht erfüllt an. Der Kläger habe nicht in ausreichendem Maße substantiiert dargelegt, dass nach dem Gesamterscheinungsbild eine faktische Geschäftsführung des Beklagten vorgelegen habe.

Die gute Nachricht für betroffene „Geschäftsführer“: die volle Darlegungs- und Beweislast für die o.g. Voraussetzungen trifft nicht ihn, sondern die Gegenseite. Verbleiben bei dem Gericht Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen, ist also zugunsten der betroffenen Person nicht von einer faktischen Geschäftsführung auszugehen.

Auswirkungen auf die Praxis

Zwar sind die Hürden für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung relativ hoch. Nichtsdestotrotz sollte jede Person, die in einer Gesellschaft eine zentrale Rolle, insbesondere Aufgaben der Geschäftsführung, wahrnimmt, ohne formell Geschäftsführer zu sein, das Risiko einer faktischen Geschäftsführung im Hinterkopf behalten. Der beste Weg, das Risiko zu mindern, ist, ausdrücklich nur in beratender Funktion und wenn möglich auch nur im Innenverhältnis aufzutreten.

Das Team von KESSLER berät Sie gerne mit langjähriger Erfahrung zu den Themen Geschäftsführung, Geschäftsführerhaftung, Gesellschafterstreitigkeiten und allen anderen Bereichen des Gesellschaftsrechts.