Von Jan-Philipp Lautebach am 24. Juni 2021

KESSLER kommentiert § 613a BGB zum Betriebsübergang

Nachdem wir bereits einige Paragraphen des BGB (242, 313, 706, 708, 737) und des GmbHG (31) in den von Göler Online-Kommentaren kommentieren durften, freuen wir uns, dass ab sofort unsere Kommentierung zu § 613a BGB zum Thema Betriebsübergang online verfügbar ist.

Die Kommentierung behandelt die Vorschrift zum in der arbeitsrechtlichen und unternehmerischen Praxis sehr bedeutsamen Betriebsübergang. Die in besonderem Maße auf Rechtsprechung basierende Kommentierung soll dem Leser die Struktur und Entwicklung der Norm und seine rechtliche Bedeutung aufzeigen. Sie beinhaltet obendrein Informationen und Hinweise zur praktischen Anwendung des § 613a BGB.

Doch was ist § 613a BGB überhaupt und warum ist er so wichtig?

Sinn und Zweck ist der Arbeitnehmerschutz

§ 613a BGB regelt die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs und die Folgen für die im veräußerten Betrieb oder Betriebsteil arbeitenden Arbeitnehmer. Die Norm ist in erster Linie eine Schutzvorschrift für Arbeitnehmer. Wechselt ein Betrieb oder Betriebsteil den Inhaber sollen die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht verlieren. Nach § 613a Abs. 1 BGB tritt beim Betriebsübergang der neue Inhaber in alle Rechte und Pflichten der im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der Arbeitgeber wechselt und die zum alten Arbeitgeber bestandenen Arbeitsverhältnisse gehen auf den neuen Arbeitgeber über und bestehen fort, soweit der Arbeitnehmer nicht von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Der Betriebsübergang führt demnach nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aus einem Betriebsübergang folgen außerdem Haftungserweiterungen für den Erwerber und er hat betriebsverfassungsrechtliche Auswirkungen.

Voraussetzungen eines Betriebsübergangs

§ 613a BGB wurde durch etliche nationale und europäische Gerichtsurteile konkretisiert. Problematisch ist oftmals, ob ein Betriebsübergang vorliegt. Der Tatbestand des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB verlangt den Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber. Der EuGH definiert Betrieb als „auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist.“ Ein Betriebsteil kann z. B. eine Filiale, Abteilung oder Geschäftsstelle sein. Für die Annahme eines Übergangs muss der Inhaber des Betriebs wechseln. Dabei muss der Betrieb seine Identität wahren. Die Wahrung der Identität wird anhand eines 7-Punkte-Katalogs geprüft. Dabei werden u.a. der Übergang materieller und immaterieller Aktiva, die Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang und der Übergang von Belegschaft und Kundschaft berücksichtigt. Diese Merkmale sprechen für die Wahrung der Identität, sie sind aber nicht zwingend erforderlich. So nahm der EuGH am 27.02.2020 einen Betriebsübergang bei einem Busunternehmen an, bei dem nur die Busfahrer aber nicht die Busse übernommen wurden.

Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs

§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass beim Betriebsübergang der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Die Inhalte der Arbeitsverträge bleiben unberührt. So hat der Betriebserwerber dieselben Entgelte zu zahlen. Er wird auch Schuldner etwaiger rückständiger Lohnforderungen, denn er tritt in jeder Hinsicht in die Rechtsstellung des früheren Betriebsinhabers ein, auch als Schuldner von in der Vergangenheit entstandenen, vom Betriebsveräußerer nicht erfüllten Ansprüchen. Der bisherige Betriebsinhaber wird aber nicht aus der Haftung entlassen. Er haftet gemäß § 613a Abs. 2 S. 1 BGB weiterhin als Gesamtschuldner neben dem neuen Inhaber für die Erfüllung von Ansprüchen, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach dem Betriebsübergang fällig werden. Auch kollektivrechtliche Regelungen wie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gelten nach § 613a Abs. 1 S. 2 – 4 BGB für die Dauer von einem Jahr fort.

Kündigungen wegen Betriebsübergang unwirksam

§613a Abs. 4 BGB legt außerdem fest, dass Kündigungen von Arbeitsverhältnissen wegen des Betriebsüberganges unwirksam sind. Der Schutzzweck von § 613a BGB würde ins Leere laufen, wenn Arbeitsverhältnisse zwar auf den neuen Inhaber übergingen, die Arbeitnehmer allerdings wegen des Betriebsübergangs gekündigt werden könnten. Die Regelung hat die Präventivfunktion, die Veräußerer und Erwerber davon abzuhalten soll, den Betriebsübergang zu benutzen, um sich von Arbeitnehmern zu trennen. Nach § 613a BGB bleiben Kündigungen aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen aber nach wie vor möglich.

Unterrichtung und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer

Nach § 613a Abs. 5 BGB sollen wegen der zum Teil erheblichen Folgen eines Betriebsübergangs immer alle Arbeitnehmer darüber unterrichtet werden. Die Unterrichtung muss den (geplanten) Zeitpunkt des Betriebsübergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen beinhalten. Der Arbeitnehmer kann nach der Unterrichtung dem Betriebsübergang widersprechen. Das Arbeitsverhältnis geht dann nicht auf den Betriebserwerber über, sondern bleibt zum bisherigen Betriebsinhaber bestehen.

An die Unterrichtung sind viele Voraussetzungen geknüpft. Eine mangelhafte oder fehlende Unterrichtung führt dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt. Daher sollte besondere Sorgfalt daraufgelegt werden, die Arbeitnehmer wirksam zu unterrichten.

Das Team von KESSLER berät Sie gerne bei allen Fragen rund um das Thema Betriebsübergang.