Von Dr. Matthias Martens und Jan-Philipp Lautebach am 7. Dezember 2022

Jahressteuergesetz 2022 – Änderungen des Bewertungsgesetzes führen zur Erhöhung von Erbschaft- und Schenkungsteuer

Während die geplanten Änderungen des SGB II („Bürgergeld“)  unter hoher medialer Aufmerksamkeit begleitet wurden und werden, verabschiedete der Bundestag das Jahressteuergesetz am 02.12.2022 nahezu lautlos und ohne öffentlichen Wirbel. Insbesondere die Änderungen des Bewertungsgesetzes (BewG) können jedoch für Erbschaft- und Schenkungsteuer von immensem Ausmaß sein.  Denn unabhängig davon, ob es sich um ein selbstgenutztes oder vermietetes Haus oder ein Betriebsgrundstück handelt, steigt der rechnerisch ermittelte Wert der Immobilie.  Dies hat unweigerlich Einfluss auf die Höhe der anfallenden Steuern im Falle einer Schenkung oder Erbschaft. Wie genau die Änderungen des Bewertungsgesetzes ausgestaltet sein werden und wie Sie hierauf bestmöglich reagieren können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Status quo

Bisher sind Bewertungen von Grundstücken aus erbschaft- und schenkungsteuerlichen Zwecken erforderlich, wenn diese oder Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften unentgeltlich übertragen werden. Dafür ist in einem ersten Schritt zwischen unbebauten und bebauten Grundstücken zu unterscheiden. Erstere werden mit dem sog. Bodenwert (Grundstücksfläche x Bodenrichtwert) bewertet. Für bebaute Grundstücke gibt es, je nach Gebäudeart, bereits unterschiedliche Bewertungsverfahren. Wohnungs- und Teileigentum wie auch Ein- und Zweifamilienhäuser werden nach dem sog. Vergleichswertverfahren bewertet. Dem Begriff des „Vergleichs“ folgend, wird der Wert in diesen Fällen mit Blick auf Objekte, die hinsichtlich wertbildender und -beeinflussender Faktoren vergleichbar sind, ermittelt.

Für die Wertermittlung von bebauten Mietwohngrundstücken, Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken gilt das sog. Ertragswertverfahren. Auch in diesem Fall folgt bereits aus der Bezeichnung des Verfahrens, welches Merkmal für die Bewertung wesentlich ist. Im Rahmen des Ertragswertverfahrens ist folglich wegweisend, wie viel aus dem Grundstück heraus erwirtschaftet werden kann.

Zuletzt bestimmt sich der Wert sonstiger Grundstücke nach dem Sachwertverfahren.

Inhalt der Gesetzesänderung

Mit der Gesetzesänderung soll das Bewertungsgesetz (BewG) an die Regelungen der Immobilienvermittlungsverordnung (ImmoWertV) angepasst werden. Im Rahmen der ImmoWertV wurden die Regelungen zur Verkehrswertermittlung an den Entwicklungen des jeweiligen Gebietes ausgerichtet. Ziel war es, einheitliche und genaue Grundsätze bei der Erhebung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten sicherzustellen.

In der Folge hat der Gesetzgeber nun auch weitergehende und zum Teil werttreibende Merkmale in die einzelnen Bewertungsverfahren des BewG aufgenommen. Im Rahmen des Ertragswertverfahrens sieht der Gesetzgeber beispielsweise Änderungen hinsichtlich der Ermittlung von Bewirtschaftungskosten vor.  Die bisherige pauschale Wertermittlung dieser auf der Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete wird durch eine detaillierte Berechnung der Kosten ersetzt. Ferner wird Gesamtnutzungsdauer nicht mehr 70 sondern ab dem 01.01.2023 80 Jahre betragen. Darüber hinaus ist eine Senkung der Liegenschaftszinssätze vorgesehen. Der Liegenschaftszins stellt eine Rentabilitätskennzahl dar mittels derer eine Art Prognose hinsichtlich der Wertsteigerung der jeweiligen Immobilie, mit der die Erwirtschaftung von Erträgen angestrebt wird, möglich sein soll. Dabei gilt grundsätzlich: je höher der Zinssatz, desto niedriger der Immobilienwert. Im Umkehrschluss dürfte sich die Senkung des Zinssatzes daher preistreibend auswirken.

Das Sachwertverfahren wird künftig um die Merkmale des Alterswertminderungsfaktors und Regionalfaktors erweitert. Letzterer soll den Unterschied zwischen dem regionalen und dem bundesdurchschnittlichen Baukostenniveau berücksichtigen. Auch hier soll die Gesamtnutzungsdauer verlängert werden.

Folgen der Gesetzesänderung: Höhere Immobilienpreise

Die unmittelbare Folge der genannten und diverser, weiterer Maßnahme dürfte regelmäßig sein, dass die ermittelten Werte der Immobilien steigen. Mittelbar bedingt diese Wertsteigerung, dass auch die darauf unter Umständen anfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer höher ausfällt, ohne, dass die Steuersätze als solche steigen.

Nach der Prognose von Experten sei eine Steigerung der Steuer von mindestens 20 bis 30% durchaus und realistisch zu erwarten. Betroffenen bleibt, für den Fall, dass der Marktwert tatsächlich niedriger sein sollte, nur die Option, dem Finanzamt dies mittels kostspieliger Gutachten nachzuweisen.

Handlungsempfehlung

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung, wobei der Begriff der Ausführung gesetzlich keine Konkretisierung erfährt. Erforderlich ist daher nach herrschender Auffassung, dass eine Auflassung (= formgerecht erklärte Einigung über den Eigentumsübergang) vorliegt und die für die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben wurden. Folglich ist der entscheidende Zeitpunkt für die Entstehung der Steuer die notarielle Beurkundung des Vertrages. Für Immobilienbesitzer bedeutet dies, dass ggf. anstehende Übertragungen noch in diesem Jahr vorgenommen werden sollten, um eine steigende steuerliche Belastung zu vermeiden.