Entscheidung des BGH zur Nacherfüllung des Verkäufers – Haftungsrisiken für Zulieferer
In einer Entscheidung aus Juni 2023 befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem in § 439 Abs. 3 BGB verankerten Aufwendungsersatzanspruch, konkreter mit der Frage nach dessen zeitlicher Reichweite (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.2023 – VIII ZR 105/22). Im Rahmen dieser Entscheidung legte der BGH die Tatbestandsmerkmale des „Einbaus“ sowie des „Anbringens“ aus. Wie sich diese Rechtsprechung insbesondere auf Zulieferer auswirken könnte, wird im Folgenden erläutert.
Die Regelung des § 439 BGB
Die Norm des § 439 BGB regelt die Nacherfüllung im Kaufrecht. Hiernach muss eine mangelhafte Kaufsache vom Verkäufer entweder repariert oder ausgetauscht werden. § 439 Abs. 3 betrifft den Fall, dass der Käufer die Kaufsache in einer anderen Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht hat. Der Wortlaut der Vorschrift setzt voraus, dass der Einbau oder das Anbringen erfolgt, bevor der Mangel an der Kaufsache „offenbar“ wird, der Käufer diesen also erkennt.
Der zu entscheidende Fall
Im vorliegenden Falls ist der Käufer Hersteller von Rohrleitungssektionen für Kreuzfahrtschiffe. Hierfür erwarb er bereits produzierte Rohre. Mit diesen Rohren stellte er Sektionen her, die jeweils aus mehreren einzelnen Rohren bestanden. Er beabsichtigte, diese Sektionen an eine Werft zu liefern, wo diese schließlich in einem Schiff verbaut werden sollten. Noch bevor die Lieferung an die Werft erfolgte, stellte der Käufer indes Materialfehler an den gekauften Rohren fest.
Zeitliche Grenze des § 439 Abs. 3 BGB
Folglich musste sich der BGH mit der zeitlichen Komponente des § 439 Abs. 3 BGB befassen. Es galt zu klären, ob die Vorschrift dahingehend auszulegen ist, dass sie auch dann greift, wenn der Einbau der gekauften Sache noch nicht erfolgt ist. Konkret war fraglich, ob das Tatbestandsmerkmal des „Einbaus“ bereits dann erfüllt ist, wenn sich die Kaufsache noch im Vorfertigungsstadium befindet. In diesem Fall wäre bereits mit der Herstellung der Sektionen die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB erfüllt.
Dies könnte vom Wortlaut der Vorschrift ausgehend („in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht“), verneint werden. Ein Einbau im engeren Sinne war schließlich im vorliegenden Fall noch nicht erfolgt.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH legte die Vorschrift gleichwohl über die Grenzen des Wortlauts hinaus weit aus und hielt den Anwendungsbereich für eröffnet. Bereits die Verbindung gekaufter Rohre zu Rohrleitungspools zum Zwecke des Einbaus in Kreuzfahrtschiffe sah das Gericht als „Einbau“ in eine andere Sache gemäß § 439 Abs. 3 BGB. Unabhängig davon, ob diese bereits in den Schiffskörper integriert worden sind.
Die Gründe dieser Entscheidung
Diese Entscheidung begründete der BGH damit, dass die Kaufsache kein unselbstständiger Bestandteil einer anderen Sache werden müsse, um einen Einbau darzustellen. Der Einbauvorgang dürfe auch nicht auf die Schlussphase der Endmontage begrenzt werden. Im vorliegenden Fall habe die Vorfertigung gerade dazu gedient, die Haupt- bzw. Endfertigung vorzubereiten. Zentrales Anliegen des Gesetzgebers sei unter anderem die Entlastung von Handwerkern und anderen Werkunternehmern gewesen. Diesen solle auch dann ein Anspruch gegen einen Verkäufer hinsichtlich der Aus- und Einbauleistung zustehen, wenn dieser die Mangelhaftigkeit nicht zu vertreten habe und damit für gewöhnlich ein Schadensersatzanspruch ausscheide. Wie der vorliegende Fall zeige, könnten zusätzliche Aufwendungen bereits in diesem Stadium entstehen.
Ein Anspruch auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten besteht somit auch dann, wenn sich der Mangel bereits während des Vorfertigungsprozesses zeigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn geplant ist, die Kaufsache ihrem Verwendungszweck entsprechend in eine andere Sache einzubauen.
Folge der Anwendbarkeit: Verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers
Für Aufwendungen, die für das Entfernen der mangelhaften oder den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache erforderlich sind, haftet der Verkäufer dem Käufer gegenüber verschuldensunabhängig. Der Verkäufer kann dies nicht dadurch vermeiden, dass er die betreffenden Arbeiten selbst vornimmt; insofern durchbricht § 439 Abs. 3 BGB das Recht zur zweiten Andienung des Verkäufers.
Auswirkungen für den Rechtsverkehr und Empfehlungen für die künftige Vertragsgestaltung
Folge der weiten Auslegung des § 439 Abs. 3 BGB dürfte vor allem eine Belastung von Zwischenhändlern sein. Insofern dürfte eine Anpassung der Kaufverträge in Zukunft ratsam sein. Vertragsklauseln, welche eine Beschränkung der Haftung vorsehen, sollten sich künftig auch auf etwaige Ansprüche aus § 439 Abs. 3 BGB beziehen. Vor allem für Verkäufer, die mit Waren handeln, die naturgemäß zum weiteren Einbau vorgesehen sind, ist dies zu empfehlen.
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