BAG: Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Beleidigungen des Arbeitgebers in einer WhatsApp-Gruppe.
Am 24.08.2023 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Kündigungsschutzklage eines Arbeitsnehmers zu entscheiden, der seinen Arbeitgeber in einer WhatsApp Gruppe wiederholt schwerwiegend beleidigt hatte.
Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer gehörte gemeinsam mit fünf seiner Kollegen einer WhatsApp- Chatgruppe an. Alle Mitglieder der Gruppe waren langjährige Freunde und zwei sogar miteinander verwandt. Es handelte sich mithin um mehr als nur eine typische betriebsinterne WhatsApp-Gruppe von Arbeitskollegen.
In dieser Gruppe äußerte sich der Arbeitnehmer wiederholt schwerwiegend in beleidigender und menschenverachtender Weise gegenüber seinen Vorgesetzten und anderen Arbeitskollegen. Diese gehörten der streitgegenständlichen Chatgruppe nicht an. Der Arbeitgeber erhielt hiervon zufällig Kenntnis und kündigte dem Arbeitnehmer außerordentlich fristlos.
Rechtslage
Die Vorinstanzen gaben dem Arbeitnehmer zunächst recht. Nach ihrer Auffassung sei die Kündigung unwirksam. Eine Kündigung könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass ein Arbeitnehmer sich im Rahmen einer Unterhaltung beleidigend über seinen Arbeitgeber äußert, wenn er berechtigterweise erwarten kann, dass der Inhalt der Unterhaltung vertraulich bleibt. Dies sei hier der Fall. Auch wenn es sich bei den Chat-Mitgliedern um Arbeitskollegen handelt, könne eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung bestehen. Das Vorliegen eines solchen Vertraulichkeitsverhältnisses wurde durch die Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits ausdrücklich für eine WhatsApp Gruppe bejaht (vgl. ArbG Mainz, Urteil vom 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17). Auf dieser Grundlage entschieden die Vorinstanzen, dass der Arbeitnehmer berechtigterweise erwarten durfte, dass der Inhalt der WhatsApp Gruppe vertraulich bleibt.
Entscheidung des BAG
Das BAG entschied nun zugunsten des Arbeitgebers. Die Erwartung, dass der Inhalt der Gruppe vertraulich bleiben werde, sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Mitglieder „den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können“.
Im Einzelnen komme es darauf an, welchen Inhalt die ausgetauschten Nachrichten haben und wie sich die Chatgruppe zusammensetzt.
Handelt es sich bei den Inhalten der Nachrichten um beleidigende bzw. menschenverachtende Äußerungen, komme dem Arbeitnehmer eine besondere Darlegungslast zu. Der Arbeitnehmer muss darlegen, aus welchem Grund er berechtigterweise erwarten konnte, dass der Inhalt der Gruppe nicht an Dritte weitergegeben werde.
Das BAG verwies den Rechtsstreit zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG). Der Arbeitnehmer hat nun die Gelegenheit darzulegen, warum er berechtigterweise darauf vertrauen durfte, dass der Inhalt der Gruppe vertraulich bleibt.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob dem Arbeitnehmer dies gelingen wird und wie das LAG entscheiden wird.
Ausblick
Die Entscheidung dürfte für Arbeitgeber von einigem Interesse sein. Bisher war es häufig schwierig, Arbeitnehmern zu kündigen, wenn sich diese beleidigend gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen äußerten. Dies galt insbesondere, wenn die Äußerungen in „privaten“ Gesprächen gefallen waren. Hier waren Arbeitnehmer durch die recht großzügig verstandene Vertraulichkeitserwartung geschützt.
Dies dürfte sich nun durch die Entscheidung des BAG in Bezug auf beleidigende Aussagen ändern. Nunmehr muss der Arbeitnehmer im Einzelnen darlegen, warum er berechtigterweise die Vertraulichkeit der Unterhaltung erwarten durfte.
In Zeiten, in Arbeitnehmer miteinander über eine Vielzahl von Chatgruppen vernetzt sind und sich dort über ihren Arbeitgeber austauschen, verbessert die Entscheidung die Chancen von Arbeitgebern, beleidigende Äußerungen sanktionieren zu können.
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