Von Dr. Josef Sommer und Boris Tebbel am 5. August 2024

Einspruch gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts bei erheblicher Bewertungsdifferenz zum Verkehrswert der Grundstücke und Gebäude

Ab dem 01.01.2025 wird die Grundsteuer in den meisten Bundesländern nach dem neuen Bundesmodell ermittelt. Der Bundesfinanzhof entschied jedoch bereits in zwei Fällen (Az. II B 78/23, 79/23), dass die Berechnung der Grundsteuer auf Grundlage der neu ermittelten Grundsteuerwerte einer verfassungskonformen Auslegung bedarf. Die obersten Finanzbehörden erkannten daraufhin an, dass die Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts auf Antrag ausgesetzt werden muss, wenn ein erheblicher Unterschied zwischen dem ermittelten Grundsteuerwert und dem tatsächlichen Verkehrswert besteht.

Die Grundsteuer nach dem neuen Bundesmodell

Das Bundesmodell wurde eingeführt, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2018 umzusetzen. Dieses hatte entschieden, dass das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung nicht mit dem Grundgesetz im Einklang steht und insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Aus diesem Grund findet eine neue Bewertung aller Grundstücke und Immobilien statt, da die bisherige Berechnung der Grundsteuer auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten basierte. Dies kann bei Grundstückseigentümern sowohl zu einer Verringerung als auch Erhöhung der Grundsteuer führen.

Von der neuen Regelung haben nicht alle Länder Gebrauch gemacht, so hat sich insbesondere Niedersachsen für das Flächen-Lage-Modell entschieden, welches auf dem bayerischen Bewertungsmodell beruht. Bremen hat sich hingegen dem Bundesmodell angeschlossen und behält sich lediglich vor, die Steuermesszahl zugunsten der Wohngrundstücke anzupassen.

Zweifel des Bundesfinanzhofs

Der Bundesfinanzhof entschied jedoch bereits in zwei Fällen, dass die neuen Bewertungsvorschriften verfassungskonform auszulegen sind, da gerade keine objektindividuelle Verkehrsermittlung, sondern eine pauschalisierende und typisierende Bewertung stattfinden würde. Dies führte in einem der Fälle (Az. II B 79/23), die der Bundesfinanzhof zu entscheiden hatte dazu, dass dem festgestellten Grundsteuerwert ein viel zu hoher Bodenrichtwert zugrunde gelegt wurde. So fand in dem Wert keine Berücksichtigung, dass das Grundstück, welches in zweiter Reihe lag, nur durch einen Privatweg hätte erschlossen werden können und zudem durch die Hanglage nur eingeschränkt für eine Bebauung nutzbar war. Der ermittelte Grundsteuerwert unterschied sich dadurch erheblich von dem gemeinen Wert. Der Bundesfinanzhof entschied daraufhin, dass bei einer erheblichen Abweichung von 40% oder mehr, dem Antragsteller die Möglichkeit zustehen muss, den Nachweis für einen niedrigeren gemeinen Wert zu erbringen.

Erlass der obersten Finanzbehörde

Die obersten Finanzbehörden haben auf die Beschlüsse reagiert und teilten durch Erlass vom 24. Juni 2024 mit, dass ab sofort die Vollziehung von Bescheiden über die Feststellung des Grundsteuerwerts auszusetzen ist, soweit schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 % übersteigt. Dieser Erlass bindet auch alle nachgeordneten Behörden der Bundesländer, die eine Bewertung der Grundstücke nach dem neuen Bundesmodell (u.a. Bremen) vornehmen.

Vorgehen bei Betroffenheit

Grundstückseigentümer sollten den Bescheid über die neue Feststellung des Grundsteuerwerts daher genau überprüfen und bei einer erheblichen Abweichung des Grundsteuerwerts im Vergleich zum Verkehrswert Einspruch einlegen. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass außerdem ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wird und der Einspruch nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Grundsteuerwertbescheids eingelegt werden kann. Anderenfalls wird dieser bestandskräftig und es kann nur noch durch die fehlerbeseitigende Wertfortschreibungsmöglichkeit gemäß § 222 Abs. 3 BewG gegen den festgestellten Grundsteuerwert vorgegangen werden. Diese dient dazu nachträglich festgestellte Fehler zu korrigieren, insbesondere auch solche die auf verfassungswidrigen Regelungen beruhen. Die fehlerbeseitigende Wertfortschreibung kommt jedoch grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Grundsteuerwert nach oben oder unten um mehr als 15.000 EUR abweicht (Wertfortschreibung, § 222 Abs. 1 BewG).

Für die Einlegung des Einspruchs bleibt dem Steuerpflichtigen nicht viel Zeit, da ihn die Nachweispflicht für den niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks trifft. Dazu ist grundsätzlich die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens gemäß § 198 Abs. 2 BewG erforderlich. Als Nachweis kann auch der Kaufpreis des Grundstücks dienen, wenn das Grundstück innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Feststellungszeitpunkt veräußert wurde. In ihrem Erlass haben die obersten Finanzbehörden jedoch – zumindest für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids – auf diese Notwendigkeit verzichtet. Der Steuerpflichtige muss für den Antrag dennoch substantiierte Angaben über den niedrigeren Wert des Grundstücks erbringen. Diese können sich beispielsweise aus der Lage des Grundstücks oder dem Zustand der Immobilie ergeben.

Wir von KESSLER beraten sie gerne, ob die Einlegung eines Einspruchs (oder einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung) in Ihrem individuellen Fall erfolgsversprechend ist.