Von Michael Keßler am 3. Juni 2024

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Gehaltsrückforderung wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern entschied im vorliegenden Fall (Urt. v. 28.09.2023, Az. 5 Sa 15/23) in zweiter Instanz über die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Stralsund. Dabei bestätigte es die bisherige Rechtsprechung, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Dies gilt auch für Arbeitsleistungen im Home-Office. Kann er dies nicht darlegen und beweisen, ist er weiterhin zur Zahlung des gesamten Arbeitsentgelts verpflichtet.

Zum Arbeitsverhältnis der Parteien und zum Verfahren

Die Klägerin war seit dem 01.12.2021 bei der Beklagten als Pflegemanagerin und Pflegefachkraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Monatsgehalt von 4.100 Euro brutto beschäftigt.

Der Klägerin war gestattet, im Home-Office zu arbeiten. Sie hatte insbesondere die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen zu überarbeiten. Die Arbeitszeiten waren monatlich in einer vorgegebenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen. Beispielsweise trug die Klägerin für den Monat Dezember 2021 insgesamt 116,25 Stunden Home-Office und eine Gesamtarbeitszeit von 199,25 Stunden ein. Der Stundenzettel wurde vereinbarungsgemäß von einer anderen Mitarbeiterin abgezeichnet.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.05.2022. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses forderte die Beklagte die Klägerin zur Rückzahlung des Bruttolohns für 300,75 Arbeitsstunden im Home-Office in Höhe von insgesamt 7.112,74 Euro auf.

Zur Rechtslage und zur Darlegungs- und Beweislast

Ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise, wenn er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen.

Mangels anderweitiger Beweismöglichkeiten ging es im vorliegenden Fall maßgeblich darum, wer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Arbeitnehmer gearbeitet bzw. nicht gearbeitet hat.

Für die Darlegungs- und Beweislast im Arbeitsgerichtsverfahren, wie auch vor anderen Zivilgerichten, gilt grundsätzlich das sog. Günstigkeitsprinzip. Dieses besagt, dass jeder grundsätzlich diejenigen Tatsachen darlegen (d.h. vortragen) und beweisen muss, die für ihn günstig sind.

Dies bedeutet im konkreten Fall, dass der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Legt der Arbeitgeber Tatsachen dar, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, dann muss der Arbeitnehmer hierauf wiederum substantiiert erwidern. Dieser Grundsatz gilt auch für Arbeitsleistungen im Home-Office.

Entscheidung des LAG

Unter Anwendung dieser Grundsätze war die Klägerin nicht zur Rückzahlung von bereits ausgezahltem Arbeitsentgelt für Zeiten im Home-Office verpflichtet.

Die Beklagte konnte nicht darlegen, dass die Klägerin zumindest an einzelnen Tagen oder Stunden gar nicht gearbeitet hat und welche Tage oder Stunden dies betrifft. Vielmehr konnte die Klägerin durch E-Mail-Verkehr und andere Tätigkeiten nachweisen, welche Arbeitsleistungen sie erbracht hat. Unerheblich ist dabei, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder in dem gewünschten Umfang erledigt hat. Ein Arbeitnehmer genügt seiner Leistungspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet.

Ausblick für die Praxis 

Für die Praxis bedeutet das, dass ein Arbeitgeber bei dem Verdacht, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeitszeit nicht seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nachkommt, dies genau dokumentieren muss. Im Zweifel sind Arbeitgeber gehalten, den Zeitraum, in dem nicht gearbeitet wurde, auf den Tag und ggf. die Stunde genau darzulegen.

Hier verhält es sich ähnlich wie bei einem Überstundenprozess. Dort ist umgekehrt der Arbeitnehmer gehalten, genau darzulegen, wann und in welchem Umfang er Überstunden geleistet hat.  

Das Team von KESSLER steht Ihnen mit langjähriger Erfahrung im Bereich des Kündigungsrechts sowie allen anderen Bereichen des Arbeitsrechts gerne zur Seite.