Von Christine Behrens am 7. November 2023

Die gesetzliche Betreuung eines Erblassers steht der Testierfähigkeit grundsätzlich nicht entgegen

Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock hatte in seinem Urteil vom 11.04.2023 (Az: 3 W 74/21) über das Vorliegen der Testierfähigkeit beim Erblasser trotz vorangegangener gesetzlicher Betreuung zu entscheiden.

Hintergründe des Gerichtsverfahrens

In der Vorinstanz lag der Sachverhalt dem Amtsgericht Neubrandenburg (Az: 502 VI 501/20) zur Entscheidung vor. Nunmehr befasste sich das OLG Rostock mit der Beschwerde eines der Beteiligten gegen die vorinstanzliche Entscheidung.

Der Erblasser hatte mehrfach handschriftlich im März 2020 testierte und den Beschwerdeführer darin als Alleinerben einsetzte. Diese Verfügungen hielten die vier weiteren, am Verfahren Beteiligten jedoch für unwirksam. Sie hatten nach Eintritt des Erbfalls einen Erbscheinsantrag beim zuständigen Nachlassgericht gestellt, der sie als Erben ausweisen sollte. Sie hielten den Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtungen für testierunfähig.

Eingerichtete Betreuung für den Erblasser

Die Antragsteller begründeten Ihre Auffassung damit, dass für den 1961 geborenen Erblasser bereits im Jahr 2007 eine Betreuung eingerichtet worden sei. Es habe eine frühkindliche Hirnschädigung mit zerebralem Residualsyndrom mit Intelligenzminderung bei ihm vorgelegen. Im Rahmen der Einrichtung der Betreuung sei ein Gutachten erstellt worden, wobei der Gutachter deutliche Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie Schwierigkeiten bei der Erfassung von Fragen sowie der inhaltlichen und chronologischen Strukturierung von Gesprächen festgestellt habe. Dies habe ein weiteres Gutachten im Jahr 2014 bestätigt. Im Jahr 2018 habe die Betreuung nur aufgrund intensiver familiärer Hilfe aufgehoben werden können.

Der Maßstab der Testierunfähigkeit

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist dann von einer Testierunfähigkeit auszugehen, wenn aufgrund krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen keine Fähigkeit gegeben ist, die Bedeutung einer abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Testierende noch in der Lage ist, sich über die Tragweite seiner Anordnungen klar zu werden, diese zu erfassen und zudem frei von den Einflüssen etwaiger Dritter zu handeln (vgl. Grüneberg/Weidlich, a.a.O., § 2229 Rn. 8; OLG Celle, Urteil v. 07.01.2021 – 6 U 22/20 –, zit. n. juris, Rn. 38 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss v. 26.10.2020 – 15 W 26/19 –, zit. n. juris Rn. 13; OLG Rostock Beschl. v. 11.4.2023 – 3 W 74/21, BeckRS 2023, 10514 Rn. 19).

Voraussetzungen genügen vorliegend nicht

Die Voraussetzungen einer Testierfähigkeit sah das OLG Rostock in diesem Fall jedoch nicht als gegeben an. Insbesondere nach Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens zur Einschätzung der Testierfähigkeit, gelangten die Richter zu diesem Ergebnis. Das Gutachten befasste sich im Detail mit den kognitiven Fähigkeiten des Erblassers. Des Weiteren nahm das Gericht im Rahmen der Urteilsfindung umfangreichen Bezug zu den bereits vorliegenden Gutachten sowie Aussagen aus dem privaten Umfeld des Erblassers.

Dabei hob das OLG Rostock hervor, dass das Vorliegen einer Testierunfähigkeit grundsätzlich die Ausnahme sei. Dies gelte auch dann, wenn der Erblasser unter Betreuung stehe bzw. eine Betreuungssituation vorgelegen habe. Die grundsätzliche Vermutung einer vorliegenden Testierfähigkeit gelte auch für den Betreuten. Stattdessen müsse das Vorliegen einer Testierunfähigkeit zur vollständigen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden. Der Nachweis für eine bestehende Testierunfähigkeit konnte aus Sicht des Gerichts hier jedoch nicht erbracht werden.

Bei Fragen der Wirksamkeit sowie der wirksamen Erstellung von letztwilligen Verfügungen berät Sie das Team von KESSLER gerne. Insbesondere im Rahmen der Testamentsgestaltung und/oder -änderung und weiterführender erbrechtlicher Auseinandersetzungen, stehen Ihnen unsere Berater mit langjähriger Praxiserfahrung zur Seite.