BGH: Rechtmäßiges Versäumnisurteil auch bei Krankheit und Versuch der Kontaktaufnahme
Sachverhalt
Der BGH entschied am 24. Januar 2024 über die Beschwerde gegen einen zweiten Versäumnisbeschluss (BGH 24.01.2024 – XII ZB 171/23). Nachdem am 27. April 2022 niemand für die Antragsgegnerin erschienen war, erging der erste Versäumnisbeschluss. Dagegen erhob die Antragsgegnerin Einspruch und es wurde ein Termin für die mündliche Verhandlung anberaumt. Auch zu diesem Termin erschien für die Antragsgegnerin niemand, sodass ein zweiter Versäumnisbeschluss erging. Dagegen legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein, da ihre Verfahrensbevollmächtigte aufgrund von schubweise auftretender, schwerer krampfhafter Zustände, einhergehend mit Brechreiz und Durchfall nicht zu dem Termin erscheinen konnte und diese auch mehrfach versucht hatte, das Gericht zu kontaktieren.
Die Beschwerde wurde vom OLG Brandenburg als unzulässig verworfen, weil die Antragsgegnerin nicht schlüssig dargelegt habe, warum ihre Verfahrensbevollmächtigte kein Verschulden an der Säumnis des Einspruchstermins treffe. Der Sachverhalt wurde nunmehr dem BGH im Wege einer sogenannten Rechtsbeschwerde vorgelegt. Der BGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.
Anforderungen an eine schlüssige Darlegung
Das OLG habe die Beschwerde der Antragsgegnerin zu Recht als unzulässig verworfen. Die Beschwerde gegen einen zweiten Versäumnisbeschluss ist nämlich nur statthaft, wenn sie darauf gestützt wird, dass die Säumnis nicht schuldhaft war. Dafür müsse die unverschuldete Säumnis schlüssig vorgetragen werden. Dies sei der Fall, wenn die Tatsachen so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie – ihre Richtigkeit unterstellt – den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben.
Vorliegend käme es weniger darauf an, ob die Verfahrensbevollmächtigte erkrankungsbedingt nicht zum Einspruchstermin erscheinen konnte, sondern vielmehr, ob die Verfahrensbevollmächtigte auch alles Zumutbare und Mögliche getan hat, um dem Gericht die Verhinderung rechtzeitig mitzuteilen. Die Antragsgegnerin führte dazu aus, dass ihre Verfahrensbevollmächtigte vor dem anberaumten Termin um 10:00 Uhr mehrfach versucht habe, das Amtsgericht zu erreichen. Anschließend habe auch die Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten versucht, mit dem Amtsgericht Kontakt aufzunehmen, dieses jedoch erst nach 10:55 Uhr erreicht als der zweite Versäumnisbeschluss bereits erlassen wurde.
Bemühungen der Verfahrensbevollmächtigten müssen hinreichend detailliert dargelegt werden
Diese Bemühungen seien nicht ausreichend gewesen. Die Antragsgegnerin hätte in ihrem Vortrag Ausführungen über den konkreten Ablauf der Fahrt, wann und wie oft ihre Verfahrensbevollmächtigte welche Rufnummer gewählt hat und wann sie ihre Mitarbeiterin mit der Kontaktaufnahme beauftragt hat, anstellen müssen. Die bloße Behauptung, mehrere Kontaktversuche vor dem anberaumten Termin um 10:00 Uhr unternommen zu haben, sei zu pauschal. Daraus ginge weder hervor, ob die Verfahrensbevollmächtigte überhaupt die richtige Telefonnummer gewählt, noch ob sie sich rechtzeitig um die Kontaktaufnahme bemüht hat. Nach eigenen Angaben hat sie die Fahrt nämlich bereits um 9:00 Uhr unterbrochen, sodass es ersichtlich unzureichend gewesen wäre, wenn sie erst um einige Minuten vor 10:00 Uhr versucht hätte, die Geschäftsstelle zu erreichen.
Kontaktaufnahme muss vor Gerichtstermin stattfinden
Daran ändere auch die eidesstaatliche Versicherung der Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten nichts. Diese habe versichert, sie habe bereits mehr als 30 Minuten versucht jemanden zu erreichen, bevor sie mit der zuständigen Richterin verbunden wurde. Ersichtlich war lediglich, dass sie nach Verkündung des Versäumnisbeschlusses um 10:55 Uhr mit der Richterin gesprochen hatte. Die Kontaktversuche hätten jedoch bereits vor Beginn des Termins um 10:00 Uhr erfolgen müssen, damit die Verspätung unverschuldet gewesen wäre. Zumutbar und naheliegend wäre es außerdem gewesen, die Mitarbeiterin bereits nach Eintritt der Fahrtunterbrechung um 9 Uhr unverzüglich anzuweisen, die Richterin über die Verhinderung zu informieren.
Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass die bloße Behauptung, das Gericht erfolglos kontaktiert zu haben, für eine unverschuldete Säumnis nicht ausreicht, sondern die vorgenommenen Bemühungen stattdessen genau dokumentiert werden müssen. Außerdem sollte die Kontaktaufnahme – soweit zumutbar – unverzüglich erfolgen, und nicht erst nach Beginn der Verhandlung. Zu beachten ist, dass diese Regeln nicht nur für Rechtsanwälte gelten, sondern gleichermaßen für Privatpersonen, die ihren Prozess ohne einen Rechtsanwalt führen.
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