Unternehmenskrisen als Folge von Pandemien – rechtliche Pflichten und Sorgfaltsanforderungen
Aktuelle Risiken
Das Coronavirus hat in vielen Teilen der Welt, und nicht zuletzt auch in Deutschland, eine Pandemie ausgelöst. Diese Pandemie hat sehr schnell auch gravierende wirtschaftliche Folgen, die je nach Branche allerdings unterschiedliches Gewicht haben. Reisebüros, Veranstaltungsunternehmen, Verkehrsunternehmen wie Luftfahrtunternehmen sind bereits zu Beginn der Krise massiv betroffen. Andere Branchen dürften und werden folgen. Insbesondere Gastronomie, aber letztlich auch jeder Handels- und Herstellerbetrieb, bei dem Lieferketten (supply-chain) unterbrochen werden, bei dem Mitarbeiter ausfallen oder dessen Produkte in einer Ausnahmesituation nicht nachgefragt werden.
Wirtschaftliche Folgen
Hierdurch entstehen sehr schnell massive Einnahmeausfälle für die betroffenen Unternehmen. Umsätze brechen ein oder geraten im schlimmsten Fall sogar vollständig in Fortfall.
Gleichwohl laufen die Kosten des Unternehmens weiter, neben den Personalkosten Raumkosten wie Miete und Nebenkosten, EDV-Kosten, Buchhaltung etc.. In hoher Geschwindigkeit können deshalb Pandemien Liquiditätskrisen bei den betroffenen Unternehmen auslösen.
Die Liquiditätskrisen sind in aller Regel das Merkmal von Unternehmenskrisen, die einer Insolvenz oder drohenden Insolvenz vorgelagert sind. Liquiditätskrisen sind deshalb vom Unternehmer in besonderer Weise zu beachten. Liquiditätskrisen können in die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung von Unternehmen führen.
Rechtliche Risiken
Bei Unternehmen mit haftungsbeschränkten Rechtsformen (GmbH, AG, GmbH & Co. KG, eingetragene Genossenschaft etc.) kann die Liquiditätskrise zur Insolvenzantragspflicht gemäß den Vorschriften der Insolvenzordnung führen.
- § 17 der Insolvenzordnung bestimmt Folgendes:
„Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“
Für die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist festzustellen, ob zum Stichtag mehr als 90 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten durch liquide Mittel gedeckt sind. Diese Rechtsauffassung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19. Dezember 2017 (II ZR 88/1) unterstrichen. Soweit dies der Fall ist, liegt regelmäßig Zahlungsfähigkeit vor. Neben dieser stichtagsbezogenen Betrachtung kommt als Zweites ein prognostisches Element hinzu, nämlich eine Zeitraumbetrachtung von drei Wochen. Damit die Zahlungsfähigkeit abschließend bejaht werden kann, muss absehbar sein, dass die Liquiditätslücke in den nächsten drei Wochen 10 % nicht überschreitet.
Genau hiermit muss sich der Unternehmer, der ein Unternehmen in haftungsbeschränkter Rechtsform führt, genau auseinandersetzen, um nicht in persönliche Verantwortlichkeiten oder in eine Strafbarkeit zu geraten, die bei Verschleppung von Insolvenzen eintreten.
- § 15a Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung bestimmt insoweit Folgendes:
„Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Eröffnungsantrag zu stellen.“
Diese Drei-Wochen-Frist ist mithin vom verantwortlichen Organ des haftungsbeschränkten Unternehmens zwingend zu beachten.
Welche Reaktionsmöglichkeiten gibt es?
Soll die Liquiditätskrise als Folge einer Pandemie nicht in Insolvenzantragspflichten ( und gegebenenfalls die Zerschlagung eines Unternehmens, wenn nicht eine Sanierung, beispielsweise über einen Insolvenzplan gelingt) münden, muss der Unternehmer bzw. der gesetzliche Vertreter des Unternehmens alle gebotenen Maßnahmen zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich einleiten.
Im Bereich des Personals kann dies beispielsweise die Anordnung von Kurzarbeit sein. Ein weiteres, sehr wichtiges Instrument ist es, mit allen wesentlichen Gläubigern so schnell wie möglich zu sprechen, damit Forderungen der Gläubiger nicht als fällige Verbindlichkeiten des Unternehmens dessen Zahlungsunfähigkeit herbeiführen (zur Definition der Zahlungsunfähigkeit s. o.). Es wird dringend empfohlen, mit den Gläubigern Erlass- oder Stundungsvereinbarungen zu treffen, um die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. Zur Absicherung des Unternehmers bzw. des gesetzlichen Vertreters des Unternehmens sollten Erlass- oder Stundungsvereinbarungen unbedingt schriftlich getroffen werden. Der Unternehmer wird auf diese Weise abgesichert, weil er sein pflichtgemäßes Verhalten auch dokumentieren kann.
kessler&partner unterstützt Unternehmer bei den notwendigen Maßnahmen
kessler&partner unterstützt auch im Rahmen der Beantragung von Kurzarbeitergeld. kessler&partner unterstützt weiterhin bei weiteren notwendigen Maßnahmen, um das Unternehmen auch in der Krise am Markt zu halten und gegebenenfalls zu restrukturieren. Dies betrifft auch das Verhältnis zu Lieferanten und Kunden, wo es auch um Verantwortlichkeiten gehen kann, gerade wenn Lieferketten abreißen, wenn es um Vertragsstrafen o. Ä. geht.
Gerade derartige Verbindlichkeiten können auch die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens herbeiführen und die Liquiditätskrise verstärken, wenn sie nicht unverzüglich angegangen werden. Bei im Kern gesunden Unternehmen wird es vielfach Lösungen geben, die den Fortbestand des Unternehmens ermöglichen. Das Team von kessler&partner unterstützt dabei, diese Wege zu beschreiten.
Bremen, den 12. März 2020