
LAG Düsseldorf: Keine Pflicht zur Zahlung von variabler Vergütung bei Langzeiterkrankung
Ist ein Arbeitnehmer langzeiterkrankt, stellt sich häufig die Frage, ob. bzw. welche Bestandteile der Vergütung weiterhin zu zahlen sind. Das LAG Düsseldorf hatte sich jüngst mit ebendieser Frage zu beschäftigen (Urt. v. 21.05.2024 – 3 SLa 14/24). In der Sache ging es um einen langzeiterkrankten Mitarbeiter, dessen Vergütung sich aus einem festen und einem variablen Bestandteil zusammensetze. Die variable Vergütung machte bei Erreichung der Ziele 40 % der Gesamtvergütung aus. Sie bestimmte sich nach dem gemeinsamen Vertriebserfolg der Vertriebspartner, die der Kläger zusammen mit weiteren Teammitgliedern betreute. Die variable Vergütung war also nicht allein von der Leistung des Klägers, sondern der der gesamten Abteilung abhängig.
Diesen Vergütungsanspruch kürzte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zeitanteilig für den Zeitraum, indem er aufgrund seiner Krankheit aus dem Entgeltfortzahlungszeitraum gefallen war. Der Arbeitnehmer forderte die Auszahlung der variablen Vergütung auch für diesen Zeitraum und klagte vor dem Arbeitsgericht.
Variable Vergütung als Gegenleistung für Erbrachte Arbeitsleistung
Das LAG Düsseldorf gab dem Arbeitgeber recht. Es entschied, dass der arbeitsrechtliche Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ anzuwenden ist. Dieser Grundsatz findet insbesondere dann Anwendung, wenn es sich um eine Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers handelt (sog. „leistungsbezogene Vergütung“). Das LAG entschied, dass die streitgegenständliche variable Vergütung in diese Kategorie fällt. Variable (erfolgsabhängige) Vergütungen, seien regelmäßig als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung anzusehen, wenn sie einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausmachen. Dies gelte auch dann, wenn die Höhe der Vergütung von externen Faktoren (wie etwa der Performance der gesamten Abteilung) abhänge.
„Ohne Arbeit kein Lohn“
Der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ besagt, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung für einen Zeitraum hat, in dem er nicht gearbeitet hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn vergütungserhaltende Ausnahmen eingreifen. Die wichtigsten dieser Ausnahmen sind die Entgeltfortzahlung und der gesetzliche Erholungsurlaub. Weitere Ausnahmen sind etwa
- Störungen des Betriebsablaufs,
- die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zur Durchführung ihrer Aufgaben und
- die berechtigte Arbeitsverweigerung, wenn etwa gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen wird oder die Zahlung des Lohns ausgeblieben ist.
Die Anwendung dieses Grundsatzes führte in diesem Fall dazu, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Vergütung hatte. Es griff keine vergütungserhaltende Ausnahme ein. Insbesondere war der Arbeitnehmer bereits aus dem Entgeltfortzahlungszeitraum gefallen. Dies erachtete das Gericht auch als zweckmäßig. Eine andere Betrachtungsweise hätte dazu geführt, dass alle Teammitglieder stets einen Anspruch auf die variable Vergütung hätten, unabhängig von ihrer tatsächlich erbrachten Leistung. Die variable Vergütung würde in diesem Fall auch an ein Teammitglied gezahlt werden, welches das ganze Jahr krankheitsbedingt ausgefallen ist. Hierdurch wäre der langzeiterkrankte Mitarbeiter unverhältnismäßig begünstigt worden.
Anders dürfte die Rechtslage indessen sein, wenn die Vergütung allein an die individuelle Leistung des Arbeitnehmers anknüpft. Erfüllt dieser die vereinbarten Ziele vor Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums, dürfte – anders als im hiesigen Fall – eine Vergütungspflicht grundsätzlich auch im Falle einer Langzeiterkrankung bestehen.
Leistungsbezogene und nicht-leistungsbezogene Vergütung
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf ist die jüngste in einer Reihe von Entscheidungen, in der die Differenzierung zwischen sog. leistungsbezogener und nicht-leistungsbezogener Vergütung weiter vertieft wird. Hier kristallisiert sich heraus, dass Vergütung grundsätzlich zunächst leistungsbezogen, d.h. eine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung ist. Diese Form der Vergütung ist nach den normalen Regeln für Arbeitslohn auszuzahlen. Insbesondere ist der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ anzuwenden.
Für nicht-leistungsbezogene Vergütung gelten hingegen andere Regeln. Insbesondere ist hier der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ nur eingeschränkt anzuwenden. Ist der Arbeitnehmer etwa länger erkrankt, kann die Auszahlung regelmäßig nicht vollständig verweigert werden. Hier gilt stattdessen der § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz, der einer Kürzung Grenzen setzt. Umgekehrt kann diese Art der Vergütung jedoch an weitere Faktoren geknüpft werden, etwa das ungekündigte Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Auszahlung („Treuebonus“). Dies ist bei leistungsbezogener Vergütung grundsätzlich nicht möglich.
Für die Praxis
Für Arbeitgeber gilt es, bei der Ausgestaltung ihrer Vergütungssysteme die oben genannten Grundsätze zu beachten. Möchten Arbeitgeber etwa die Auszahlung eines Bonus daran knüpfen, dass das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt nicht gekündigt ist, sollte der Bonus ausdrücklich als nicht-leistungsbezogene Vergütung ausgestaltet werden. Das Team von KESSLER berät Sie gerne in allen Fragestellungen rund um die Gestaltung von Arbeitsverträgen und Vergütungssystemen.