Von Bettina Oltmann und Jan-Philipp Lautebach am 4. November 2022

Gasnotlage: Was bedeutet dies für gewerbliche Mietverhältnisse?

Das Gas in ganz Europa und damit auch in Deutschland könnte in den kalten Jahreszeiten aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung knapp werden. Wie das Gas dann verteilt wird, ist schon abschließend geregelt, die Konsequenzen auf die bestehenden Mietverträge im Einzelfall hingegen oft nicht.  

Industrie in der Gasnotlage: Kein geschützter Verbraucher 

Die Europäische Union verkündete schon im Jahr 2017 die sogenannte SoS-Verordnung (VO 2017/1938), welche die Gasversorgung bei Engpässen regelt. So sind insbesondere Privathaushalte und die kritische Infrastruktur bei der Gasversorgung priorisiert. Die industriellen und gewerblichen Abnehmer hingegen würden bei einer europaweiten Gasnotlage dazu verpflichtet sein, auf ihr Gas zu verzichten und es den priorisierten Gruppen, dabei auch anderen Mitgliedsstaaten, zur Verfügung zu stellen.  

Auswirkungen auf die Mietverträge 

Die offensichtlichste Gefahr einer Gasnotlage für Gewerbe und Industrie ist, dass die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichend geheizt werden können. Wie sich eine Gasnotlage auf die Mietverträge auswirkt und Minderungsansprüche entstehen lässt, kommt ganz auf den bestehenden Mietvertrag an. Grundsätzlich ist es dabei ein etablierter Rechtsprechungsgedanke, dass bei Unterschreiten der für den Mietzweck üblichen Mindesttemperatur ein Mangel nach § 536 Abs. 1 BGB vorliegt und der Mieter zur Minderung berechtigt ist.  

Ausschluss im Mietvertrag 

Der Anspruch auf Zahlung einer geminderten Miete besteht jedoch nicht immer. Schließt der Mieter selbst die Versorgungsverträge mit den Gasanbietern – was in gewerblichen Mietverträgen üblich ist – , so ist das Beheizen der Räume nicht Vertragsbestandteil geworden; zu wenig Gas begründet somit auch keinen Mangel nach § 536 Abs. 1 BGB und damit kein Minderungsrecht gegenüber dem Vermieter.  

Regelmäßig wird in Gewerbemietverträgen auch die Minderung wegen Vorliegens höherer Gewalt ausgeschlossen. Höhere Gewalt meint ein unvorhersehbares, unvermeidbares und außergewöhnliches Ereignis (BGH, Urteil vom 23.10.1952 – III ZR 364/51). Ob hierunter auch eine Gasnotlage wegen Krieges fällt, ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln.  

Gewerbemietverträge ohne vertragliche Abreden 

Wurden keine vertraglichen Abreden getroffen, könnte für den Mieter ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) bestehen. Gemäß § 313 BGB, welchen wir bereits kommentieren durften, kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dabei kann eine Anpassung insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.  

Durchaus ist eine angemessene Temperatur in Gewerbemieträumen oft Voraussetzung für den Mieter, überhaupt den Vertrag zu schließen und damit eine Grundlage des Geschäfts.  

Weiteres Tatbestandmerkmal des § 313 Abs. 1 BGB ist, dass die Parteien, hätten sie die Entwicklung vorausgesehen, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten. Das ist vorliegend problematisch. Wenn sich argumentativ überzeugend begründen lässt, dass der Mieter den Vertrag in Kenntnis der hiesigen Umstände gar nicht abgeschlossen hätte, wäre ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages oder (subsidiär) Auflösung zumindest denkbar.  

Um einen Rechtsstreit von vornherein zu vermeiden, empfehlen wir, vertragliche Abreden zu treffen, welche den Fall einer Gasnotlage abdecken. 

Handlungsempfehlung 

Falls Sie gewerblicher Mieter oder Vermieter sind, empfehlen wir Ihnen schon jetzt, Ihren Mietvertrag überprüfen zu lassen, bevor die Gasnotlage eintritt. Ob die Miete wegen Vorliegen eines Mangels (Nichterreichen der Mindesttemperatur) gemindert sein oder ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB bestehen könnte, kommt sehr auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls und des Mietvertrages an. Unser Team bietet Ihnen eine professionelle Beratung bei alten sowie neuen Gewerbemietverträgen, um den Fall einer Gasnotlage möglichst rechtssicher zu gestalten, und hilft Ihnen beim Durchsetzen Ihrer Ansprüche.